Historischer Abriss des Werratalvereins 1883 e.V.
Rund ein Dutzend bekannter Persönlichkeiten meldete sich im Mai 1883 in Eschwege mit einem Aufruf zu Wort, um einen Verein zu gründen, der sich den Schönheiten des Werratals widmen sollte – und natürlich auch den Fremdenverkehr beleben sollte. Es heißt dort unter anderem: „Nicht viele Gegenden unseres Vaterlandes umschließen in so engem Kreise eine solche Fülle landschaftlicher Schönheiten, so viele in naturwissenschaftlicher und topographischer Beziehung merkwürdige Punkte, so viele durch Geschichte und Sage hervorragende Stellen, als unsere engere Heimat, das Werratal mit der es einschließenden Bergkette von Kreuzburg etwa an bis nach Witzenhausen hin. Und doch ist dieser herrliche Fleck deutscher Erde weder von den Fremden genügend gekannt, noch von den Einheimischen selbst nach Gebühr gewürdigt; die schönsten Punkte sind entweder nicht allgemein bekannt oder zu schwer zu finden oder zu unbequem zu erreichen.“
Schon einen Monat später, am 10. Juni 1883, wurde der Hauptverein des Werratalvereins in Eschwege gegründet. Bald nach der Gründung des Hauptvereins konstituierten sich die ersten vier Zweigvereine, damals Sektionen genannt: Eschwege, Meißner, Witzenhausen und Wanfried. Im Folgejahr kam Allendorf in den Sooden, das heutige Bad Sooden-Allendorf, hinzu. Im September 1883 schrieb das „Eschweger Tageblatt“ ganz begeistert über eine erste vom WTV organisierte Wanderung: „Der Blick von der Plesse ist so überraschend schön und den schönsten Blicken in unserer herrlichen Werragegend an die Seite zu stellen...“
In den Folgejahren wiesen die Sektionen erste Strecken mit Ruhebänke, Wegweiser und Schilder an geeigneten Plätze aus. Und „zur Hebung des Interesses am Verein wurden an schönen Sonntagen Ausflüge gemacht“, wie es im Jahresbericht 1887 heißt. Das Wandern durch die Heimat und die immer bessere Erschließung ihrer bevorzugten Gebiete standen stets ganz oben auf der Liste der wahrzunehmenden Aufgaben. Dazu gehörten die Neuanlage von Wegen und das Anbringen von Wegebezeichnungen. Groß war dann zunächst der Einschnitt, den der Erste Weltkrieg in der Vereinsgeschichte hinterließ, nach dem fast nichts mehr so war wie zuvor. Gleichwohl ruhte die Arbeit im Werratalverein nie, im September 1917 wurde sogar der 28. Deutsche Wandertag in Eschwege ausgerichtet, zu dem etwa 100 Vereinsvertreter aus ganz Deutschland zusammenkamen.
Doch gerade auf diese schwere Zeit folgte eine ausgesprochene Blüteperiode, die gekennzeichnet war von starken und prägenden Persönlichkeiten. Unter der Federführung vom Hauptvorsitzendem Oskar Engelhardt (1918-1930) kam 1921 der 365 Seiten starke „Führer durchs Werratal“ heraus. Zum Gedanken an die im Weltkrieg gefallenen Wanderkameraden wurde 1922 am Hohen Meißner ein Ehrenmal errichtet, an dem noch heute jährlich zum Volkstrauertag eine Gedenkstunde stattfindet. Im Jahr 1924 erschien die Vereinszeitschrift „Das Werratal“, die monatlich bis 1938 von der Hauptleitung herausgegeben wurde.
Es folgten die mehr als schwierige Zeit des nationalsozialistischen Regimes, der Zweite Weltkrieg, schließlich wiederum eine „Nachkriegszeit“, die zu einer erneuten Standortbestimmung - diesmal in einem geteilten Deutschland!- herausforderte. Nun widmete sich der Werratalverein auch verstärkt dem Erhalt von Natur und Landschaft. Da galt es zunächst gegen den Braunkohleabbau auf dem Hohen Meißner und den Basaltabbau bei Witzenhausen zu kämpfen, ehemalige Kiesseen dem Naturschutz schmackhaft zu machen.
Und heute gilt es, gegen eine noch stärkere Versalzung der Werra zu argumentieren. 1987 durften wir den 87. Deutschen Wandertag im Werratal ausrichten. Erstmals waren nicht alle Veranstaltungen in einer Stadt, sondern wurden von vier Städten in der Region ausgerichtet. Der Wandertagswimpel wurde in Bad Sooden-Allendorf in Empfang genommen. In Witzenhausen wurde die Eröffnungsfeier ausgerichtet und die Verbandsausfahrt führte uns nach Hann. Münden. Der Festzug schlängelte sich durch Eschwege und die Abschlussfeier fand leider bei Regenschauern und Nebel auf dem Hohen Meißner statt. Insgesamt 18.000 Wanderfreunde waren zu Gast im Werratal.
Am Ende des Jahres 1989 öffnete sich durch die friedliche Revolution in der DDR die Grenze. Wir Wanderer nutzten sofort die Möglichkeiten, um nach „drüben" zu gehen und zu erkunden, was wir nur aus Erzählungen der Alten kannten oder aus der Ferne sehen konnten.
1990 begleiteten wir Bundespräsident Karl Carstens auf der Wanderung durch unser Vereinsgebiet, unter anderem über den Hohen Meißner, wo im Jahre 1913 die Freideutsche Jugend gegründet wurde. Zu Beginn der 1990er Jahre entstanden in den thüringischen Gemeinden Gerstungen, Creuzburg und Lauchröden wieder Zweigvereine des Werratalvereins. Nun ist unser Vereinsgebiet wieder komplett. Wir sind in drei Bundesländern vertreten, Hessen, Niedersachsen und Thüringen. Recht bald hatten wir zahlreiche Kontakte zu thüringischen Wanderfreunden geknüpft. Auf unsere Empfehlung wurde im Rennsteigverein die Ortsgruppe „Hainich" gegründet. Gemeinsam mit unseren thüringischen Wanderfreunden verbanden unsere Wegewarte und Wegemarkierer die Wegenetze Thüringens mit denen Hessens. Auf unseren Vorschlag hin wurde der Barbarossaweg, als „X 8“ markiert, bis zum Kyffhäuser verlängert.
Seit 1997 richtet jeweils einer der Zweigvereine den Werrataler Wandertag aus, dann trifft sich die große Familie zu Sternwanderungen mit anschließendem gemütlichen Beisammensein. Nicht nur diese Treffen fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitglieder in den 13 WTV-Zweigvereinen. Auch die seit Juli 1949 wieder erscheinende, bis heute vierteljährlich herauskommende Vereinszeitschrift „Das Werraland“ dient dazu. Sie versteht sich darüber hinaus aber als das Publikationsorgan für alle Anliegen des Wanderns, der Brauchtumspflege, der Heimatgeschichte, des Naturschutzes und der Denkmalpflege im unteren Werratal und seiner Umgebung. Und sie berichtete groß über ein besonderes Ereignis: Am Tag der Deutschen Einheit wandert unser Zweigverein Bad Sooden-Allendorf gemeinsam mit der Ortsgruppe Hainich des Rennsteigvereins im ehemaligen Grenzgebiet.
Wir beteiligten uns an der „Eurorando“ 2001 und sind regelmäßig auf den Deutschen Wandertagen vertreten. Geführt wurde der Werratalverein von 1971 bis 1996 von Otto Bevern und von 1996 bis 2003 von Ullrich Krüger, beide aus Eschwege. Seit 2003 stand mit Karl-Werner Böttigheimer aus Bad Sooden-Allendorf zum ersten Male kein Eschweger an der Vereinsspitze. Nach dem Rücktritt von Karl-Werner Böttigheimer im Jahr 2010 wurde der ehemalige Bürgermeister der Kreisstadt Eschwege Jürgen Zick zum ersten Vorsitzenden gewählt.